Show vs. Tell (zeigen vs. erzählen)

Ich schreibe hier absichtlich „Show vs. Tell“ („Zeigen vs. erzählen“) und nicht „Show, don’t tell“, wie man es öfters liest. „Show, don’t tell“ ist eine Befehlsform, sie drückt eine Regel aus. Ich finde diese Regel aber nicht immer zutreffen und glaube, es ist wichtiger zu verstehen, wann welches der beiden Stilmittel angebrachter ist, als sich einfach an diese Regel zu halten. Aber bevor ich weiter darauf eingehe, fange ich bei dem Grundsätzlichen an: die Definition.

Was ist „show“ und was „tell“?

„Show“ = Zeigen und „Tell“ = erzählen. Es gibt ewig lange Beschreibungen dazu im Internet. Ich finde, ein Beispiel ist absolut ausreichend.
– Tell: „Es war kalt.“
– Show: „Nina knöpfte den Mantel bis ganz oben zu, zog den Schal ganz eng und steckte die fast schon tauben Hände tief in die seitlichen Taschen.“
„Tell“ heißt, etwas einfach zu behaupten. Bei „Show“ hingegen, wird den Lesenden ein Bild gemalt, woraus sie selber schließen können, was auch immer sie daraus schließen sollen.

Oft wird behauptet, dass „show“ immer die bessere Wahl ist. Deswegen gibt es den Spruch „show, don’t tell“. Ich habe da eine etwas gemäßigtere Meinung – aus 2 Gründen:

1) Ich finde es in gewissen Situationen absolut angebracht, „tell“ und nicht „show“ zu verwenden. Dazu komme ich weiter unten.

2) Manchmal wird „show“ sehr strikt definiert, in dem Sinne, dass nur „was eine Kamera einfangen kann“ als „show“ zählt. Im obigen Beispiel würde die Kamera nicht sehen, dass Ninas Hände „fast schon taub sind“. Ich persönlich finde eine solche Definition aber zu einschränkend. Dadurch wäre sehr Vieles „tell“. Zum Beispiel, wenn man schreibt: „Eine Hitze breitete sich in ihrem Körper aus, strahlte bis in ihre Fingerspitzen, und am liebsten hätte sie ihn angeschrien.“ Das wäre alles „tell“, denn es lässt sich nicht mit einer Kamera einfangen. Darüber kann man natürlich diskutieren. Die genaue Definition würde aber nichts daran ändern, ob ein Text mitreißend ist oder nicht. Ich finde es nur wichtig, dass man das Grundprinzip von „show vs. tell“ kennt.

Wann ist „show“ angebracht?

„Show“, also „zeigen“, sollte immer dann verwendet werden, wenn etwas wichtig ist und die Lesenden bei etwas mitgerissen werden sollen. Vor allem bei folgenden Situationen sollte es verwendet werden:

  • Emotionen,
  • Beziehungen,
  • Der Haupthandlung.

Eine Emotion ist glaubhafter, wenn da steht: „Er warf die Hände in die Luft und schnaubte“, als bei „Er war wütend“.

Ich verstehe auch eine Beziehung besser, wenn ich sehe, wie zwei Menschen vertraut miteinander umgehen, oder Insider-Witze machen, anstatt wenn mir gesagt wird: „Sie waren beste Freunde“.

Ich fühle mich näher an einer Handlung und empfinde sie als wichtiger, wenn sie genau beschrieben wird, wie z.B.: „Ihr Herz fing an zu rasen und ihre Wangen röteten sich, als sie ihn auf der Treppe sitzen sah. Sie versank in seinen smaragdgrünen Augen und schmolz dahin bei diesem Lächeln, das ihre ganze Welt erhellte. Ihr Blink wanderte an seinen markanten Wangenknochen hinunter zu seinen breiten Schultern, an die sie sich gerne geschmiegt hätte. “ Wenn es hingegen einfach heißt: „Er saß auf der Treppe. Sie sah ihn an und fand in schön.“, ist das keine sonderlich einprägende Szene.

Wann ist „tell“ angebracht?

„Tell“, also „erzählen“, sollte immer dann verwendet werden, wenn etwas notwendig, aber nicht wichtig ist. Besonders angebracht ist es in folgenden Situationen:

  • Unwichtige Übergänge,
  • Wiederholungen,
  • Atmosphäre aufbauen / Historisches,
  • Innere Gedanken und Gefühle.

Unwichtige Übergänge müssen nicht gezeigt werden. Wenn es nicht wichtig ist, was während der Zugfahrt von A nach B passiert reicht es, diese Information einfach zu „erzählen“.

Wenn eine Figur einen wichtigen Ort zum ersten Mal betritt, ist es natürlich klug, diesen genauer zu beschreiben und „show“ zu verwenden. Wenn die Figur dann aber zum wiederholten Male dahin kommt, muss er nicht erneut im Detail beschrieben werden. Ein einfaches, kurzes „tell“ zu dem Ort als kleine Gedankenstütze für die Lesenden reicht absolut, wenn überhaupt nötig.

Atmosphäre und Historisches sollte natürlich nicht nur durch „tell“, also „erzählen“, geschaffen werden. Wenn es aber nicht wirklich wichtig ist, wie genau dieser Palast vor wie vielen Jahren gebaut worden war, sondern nur, dass er eben da ist und die Figur ihn bewundert, dann darf ruhig dem „show“ auch mit etwas „tell“ ausgeholfen werden.

Bei inneren Gedanken und Gefühlen von Figuren hat man schlicht und einfach keine Wahl. Sie lassen sich nicht „zeigen“, nicht „von der Kamera einfangen“. Ich kann zwar zeigen, dass Max wütend war, indem ich ihn mit der Faust auf den Tisch schlagen lasse. Warum genau er aber wütend war und welche Gedanken ihn zu dieser Reaktion geführt haben, kann ich nur durch „tell“ erklären: Wenn ich also genau schreibe, was er denkt und wie er fühlt. Natürlich kommt es hier wieder auf die Situation an. Ist es wichtig, warum er wütend ist? Dann sollte es beschrieben und ausgeführt werden. Ist es nur eine Notwendigkeit für die Story, kann es in wenigen Worten abgeschlossen werden.


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